Mittelstandskompentenz in der PRAXIS: CORONA, Ukraine-Krieg: Bauunternehmer, Logistiker, Entsorger beanspruchen Preisanpassung

Aufgrund der aktuellen Kriegssituation in der Ukraine und den damit verbundenen Sanktionen gegen Russland sind bereits erheblich Auswirkungen auf die Energiepreise, insbesondere die Dieselkosten unmittelbar festzustellen. Der Preis für Diesel ist seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine um mehr als 70 Prozent im Vergleich zum Durchschnittspreis im Vorjahr gestiegen. Vor dem Hintergrund, dass derzeit weitere Sanktionsmaßnahmen gegen Russland diskutiert werden und weitergehende Rohstofflieferungen und Importe beschränkt werden können, sind weitere exponentielle Kostensteigerungen im Energiebereich zu erwarten. Bereits zum aktuellen Stand ist nicht ausgeschlossen, dass bestehende Verträge nicht mehr auskömmlich erbracht werden können.

Anpassungsverlangen?

Die eklatante Erhöhung der Kosten für den Bezug von Dieselkraftstoff führt zu einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung der Unternehmen. Das bei Vertragsabschluss vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ist daher in einem signifikanten Ausmaß gestört. Um die Dienstleistungen gleichwohl in der vereinbarten Qualität weiterhin erbringen zu können, sehen sich Bauunternehmer, Logistiker, Entsorger gehalten, im Hinblick auf eine eingetretene Störung der Geschäftsgrundlage nach§ 313 BGB eine Anpassung der vereinbarten Entgelte unter Berücksichtigung der sprunghaft und nicht in diesem Ausmaß zu erwartenden gestiegenen Dieselkosten geltend zu machen. Diese bitten um eine außerordentliche Anpassung der vertraglichen Regelungen in der Form, dass das ursprünglich vereinbarte Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung wiederhergestellt wird. Eklatante Kostensteigerungen bei der Beschaffung von Dieselkraftstoff müssten zusätzlich ausgeglichen werden. Die zusätzlich entstehenden Kosten seien zunächst solange auszugleichen, bis die Dieselpreiskosten sich auf das Vorjahresniveau von monatlich durchschnittlich 1,0866 EUR/Liter netto gemäß Veröffentlichung des Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik (BGL – www.bgl-ev.de) normalisiert haben. Die Preisanpassung bezieht sich dabei auf den Dieselkostenanteil der Frachtrate innerhalb der Gesamtleistung.

Ist das Verlangen gerechtfertigt?

Nach § 313 BGB kann die Anpassung eines Vertrages verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage eines Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Änderungen vorausgesehen hätten. Dies gilt nach § 313 BGB dann, wenn einer Vertragspartei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Geschäftsgrundlage sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsabschluss aber zu Tage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder die dem Geschäftspartner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswillen der Parteien sich aufbaut (BGH, U.v. 12.01.2022 – XII ZR 8/21 -, juris Rn. 44). Was nach dem Vertragstext Vertragsinhalt ist, kann nicht Vertragsgrundlage sein (BGH, NJW 2014, 3439; Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 313 Rn. 10). Das ist im Einzelfall zu klären.

Unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls oder der Änderung der Geschäftsgrundlage muss der Grundsatz der Vertragstreue nach der ständigen Rechtsprechung der Zivilgerichte aber dann zurücktreten, wenn andernfalls ein untragbares, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbares Ergebnis nicht zu vermeiden wäre. Ausgehend von diesem Grundsatz ist nach der ständigen Rechtsprechung der Zivilgerichte § 313 BGB dann nicht anwendbar, wenn sich durch die Veränderung ein Risiko verwirklicht, das eine Partei zu tragen hat (OLG Düsseldorf, U.v. 19.12.2008 – I – 23 U 48/08 -, juris Rn. 39; OLG Hamm, U.v. 10.03.2011 – 21 O 123/10 -, juris Rn. 119; BGHZ 129, 236, 253 Rn. 61). Das ist im Einzelfall zu klären.

Vergaberecht?

§ 123 Abs. 1 GWB regelt, dass wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrages während der Vertragslaufzeit ein neues Vergabeverfahren erfordern. Wesentlich sind Änderungen, die dazu führen, dass sich der öffentliche Auftrag erheblich von dem ursprünglich vergebenen öffentlichen Auftrag unterscheidet. Eine wesentliche Änderung liegt nach § 132 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GWB insbesondere vor, wenn mit der Änderung das wirtschaftliche Gleichgewicht des öffentlichen Auftrages zugunsten des Auftragnehmers in einer Weise verschoben wird, die im ursprünglichen Vertrag nicht vorgesehen war. Dies ist bei einer vertraglichen nicht vorgesehenen Preisanpassung dann der Fall, wenn sich die Preisanpassung zu Lasten des öffentlichen Auftraggebers auswirkt. Gewährt der Auftraggeber dem Auftragnehmer ein zusätzliches Entgelt, liegt möglicherweise eine Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichtes im Sinne des § 132 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GWB und damit eine wesentliche Auftragsänderung vor (Geitel/Jansen, in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 5. Aufl. 2020, § 132 Rn. 61). Das ist im Einzelfall zu klären. Gleiches gilt ggf, wenn der öffentliche Auftraggeber ohne eine entsprechende vertragliche Verpflichtung auf einen Teil der vertraglich vereinbarten Verwertungsvergütung verzichtet. Auch dies führt zu einer Verschiebung des wirtschaftlichen Gleichgewichts im Sinne des § 132 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GWB. Das ist im Einzelfall zu klären.

Haushaltsrecht?

Nach § 48 LKrO finden auf die Wirtschaftsführung des Landkreises die für die Stadtkreise und großen Kreisstädte geltenden Vorschriften über die Gemeindewirtschaft entsprechende Anwendung. Maßgebend ist danach § 32 GemHVO. Nach § 32 Abs. 3 Satz 1 GemHVO dürfen Ansprüche ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn ihre Einziehung nach Lage des einzelnen Falles für den Schuldner eine besondere Härte bedeuten würden. Eine solche besondere Härte lässt sich schwerlich darlegen, wenn für beide Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erkennbar war, dass die Verwertungsvergütung an die Marktpreise gekoppelt ist. Das ist im Einzelfall zu klären.

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Kann das Verlangen durchgesetzt werden?

Der Anspruch der durch eine Störung der Geschäftsgrundlage benachteiligten Partei auf Vertragsanpassung verpflichtet die andere Partei, an der Anpassung mitzuwirken. Wird die Mitwirkung verweigert, kann die benachteiligte Partei auf Zustimmung zu der als angemessen erachteten Anpassung klagen. Angesichts der Möglichkeit, den Anpassungsanspruch gerichtlich durchzusetzen, führt die Weigerung des Begünstigten, an einer Vertragsanpassung mitzuwirken, für sich genommen nicht dazu, dass dem Benachteiligten ein weiteres Festhalten an dem Vertrag und dessen (künftige) Anpassung unzumutbar wird (vgl. AnwK/Krebs, BGB, § 313 Rn. 83 sowie Soergel/Teichmann, 12. Aufl., § 242 Rn. 268; zur praktischen Durchsetzbarkeit eines Anspruchs auf Verhandlungen siehe – für einen Vorvertrag – Senat, Urteil vom 12. Mai 2006 – V ZR 97/05, NJW 2006, 2843, 2845 Rn. 26).

Denn der durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) eingeführte Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB verpflichtet die durch eine Störung der Geschäftsgrundlage begünstigte Vertragspartei, im Zusammenwirken mit der anderen Partei eine Anpassung des Vertrages herbeizuführen. Hierbei handelt es sich um eine vertragliche Mitwirkungspflicht, deren Verletzung Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB auslösen kann (so auch Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 313 Rn. 41; Dauner-Lieb/ Dötsch, NJW 2003, 921, 925; Riesenhuber, BB 2003, 2697, 2699; einschränkend MünchKomm-BGB/Roth, 5. Aufl., § 313 Rn. 93). Der dagegen erhobene Einwand, eine Verhandlungspflicht könne nicht vollstreckt werden und sei daher abzulehnen (z.B. PWW/Medicus/Stürner, BGB, 6. Aufl., § 313 Rn. 20; Bamberger/Roth/Unberath, BGB, 2. Aufl., § 313 Rn. 85; Jauernig/Stadler, BGB, 13. Aufl. § 313 Rn. 27; AnwK/Krebs, BGB, § 313 Rn. 81), überzeugt nicht, BGH, Urteil vom 30. September 2011 – V ZR 17/11. Mit dem Anspruch der benachteiligten Partei auf Vertragsanpassung korrespondiert die Verpflichtung der begünstigten Partei, an dieser Anpassung mitzuwirken. Anspruch und Verpflichtung sind zwei Seiten desselben Rechts. Durchgesetzt wird die Mitwirkungspflicht demgemäß durch die gerichtliche Geltendmachung des Anpassungsanspruchs.

Hierzu kann die benachteiligte Partei eine von ihr formulierte Änderung des Vertrages zum Gegenstand der Klage machen (vgl. Senat, Urteil vom 12. Mai 2006 – V ZR 97/05, NJW 2006, 2843, 2845 Rn. 26 für die aus einem Vorvertrag folgende Mitwirkungspflicht) oder aber unmittelbar auf die Leistung klagen, die sich aus der von ihr als angemessen erachteten Vertragsanpassung ergibt. Letzteres ist nicht nur die Geltendmachung des Anspruchs aus der Anpassung, sondern zugleich die Durchsetzung des Anspruchs auf Anpassung (ähnlich jurisPK-BGB/Pfeiffer, 5. Aufl., § 313 Rn. 70; aA PWW/Medicus/Stürner, BGB, 6. Aufl., § 313 Rn. 20), BGH, Urteil vom 30. September 2011 – V ZR 17/11.

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